47 km Einzelzeitfahren können zäh werden, wenn der Kopf nicht in den roten Bereich mag...
Mitte September heisst es jedes Jahr in Österreich im schönen Salzkammergut "King of the lake" (leider steht auch nicht auf den Damen-Pokalen "Queen of the lake") - sofern man denn einen der heissbegehrten Startplätze ergattert. Meiner war noch ein Übertrag vom Jahr zuvor, als mich Corona niederstreckte. Die Renn-Organisation vor Ort ist sehr gut, die Strassen gesperrt, Schiri- und Kamera-Töffs überall unterwegs, so dass auch Bauchkribbeln als Zuschauer entsteht, die Fahrer bei jeder Dorfdurchfahrt freudig angefeuert werden und ein sehr faires Miteinander auf der Strasse ist. Es sind Profis am Start, Bundesligafahrer, aber auch Freizeitradler, alle gemixed auf der Strecke und es ist immer wieder beeindruckend, in welchem Tempo einen so einige Radler überholen! Es geht rund um den Attersee, 47 km mit 350 Höhenmetern, entweder mit dem Rennrad oder dem Zeitfahrrad, alleine oder im Team. Nachdem ich meine 2019 im Massensturz im Zielsprint von "Rund um Köln" luxierte Schulter nicht mehr richtig TT-stabil bekommen habe, entschied ich mich für das Rennrad, und zum Glück war ja gerade eines neues Rad in den Stall geflattert! Dieses Jahr war zwar die Vorbereitung infektfrei, aber dafür übervoll mit Arbeit, so dass es die letzten Trainingswochen nicht "Vollgas für die letzten Watt" hiess, sondern "Hauptsache nicht langsamer werden". Mein Trainer Markus Hertlein (selbst 5. im 10er Team mit einem 46.9er Schnitt), balancierte mich bestens durch die finalen Wochen, so dass ich mit nicht perfekten, aber fitten Beinchen und vor allem guten Gefühl am Start stehen durfte. Im 15 Sekunden-Abstand ging es bei perfektem Wetter los von der Startrampe, alles klappte, schnell genug eingeklickt, Garmin startklar, Anspannung im richtigen Ausmass. Der Plan war, das erste Drittel, flach und relativ windstill, mit 240 Watt "entspannt" zu radeln. Ich fuhr viel nach Gefühl, und immer wenn ich auf den Garmin schaute, standen mich motivierende Zahlen auf dem Display. Es lief, alles war im Soll! Ab dem zweiten Drittel wurde die Strecke kupierter, und auf einmal schaltete sich mein Kopf ein "Wie, erst Streckenhälfte?!?". Mein Turbo auf der zweiten Rennhälfte, auf den ich mich sonst so gut verlassen kann, zündete nicht, wohl auch der Zwangstrainingspause von März bis Juni geschuldet. Egal, jedes Watt zählt, dafür hast Du geübt. Den Vordermann nicht wegfahren lassen, natürlich mit gefordertem Abstand. Motivation aus jedem Überholvorgang ziehen. Der Kopf meldete sich jedoch immer wieder zwischendurch, "es sind immer noch 10 km!". Klein machen, ruhig sitzen, treten, einfach weiter. Das hatte etwas von Medidation. Die letzte Rampe mit 10 % Steigung, autsch, Laktat ist ein fieses Zeugs. Und eeeeendlich kam die Zielgrade! Puh, geschafft. Zwischendurch war es eher mentale Ausbelastung als Körperliche. Und nein, nicht jede Sekunde hat Spass gemacht. Aber... wo geht´s gleich zur Bewerbung für einen Startplatz in 2024?!? Ich habe da noch eine Rechnung offen mit der zweiten Streckenhälfte... aber nun heisst es erst einmal Off season!
Ergebnis: 3. Platz Damen-Altersklasse U50 mit einem 34.5er Schnitt
Gesamtergebnisse: Sieger mit einem 49.0er Schnitt (TT) bzw. 45.4 (RR), Siegerin mit einem 44.4er Schnitt (TT) bzw. 41.2 (RR)
Julia war am Start sowohl für ihr "Team Rad am Ring", als auch für unseren VC Wohlen. Wir gratulieren Julia herzlich für den 3. Rang in der Altersklasse U50. - ds